Männermode Diesen Sommer zeigt Mann Bein › sogar zum Tuxedo.
Was will uns das sagen, wenn Giorgio Armani, italienische Stil-Instanz, den Applaus nach seiner Show in Shorts entgegennimmt, seine Beine in urbaner Umgebung entblösst? Das hatte nichts mit dem Fussball-WM-Fieber oder den Mailänder Hundstagen zu tun, während deren die Sommerkollektionen präsentiert wurden. Der Maestro resümiert damit vielmehr einen starken Trend zur männlichen Beinfreiheit, ein untrügliches Zeichen für eine Lockerung des Dresscodes für den kommenden Sommer. Wenn es nach der Mode geht, wird dem kultivierten Mann, der den langen Winter am Cheminée und in der Bibliothek verbracht hat (AZ vom 20.10.06, Die Rückkehr des Schöngeists), in den warmen Sommermonaten der Sinn nach Zerstreuung und Freizeit stehen.
Die Männermode zeigt nicht mehr den jahrelang gepriesenen Brit Style mit seiner rigorosen Eleganz, sondern eine mediterrane Leichtigkeit mit entspannten Silhouetten. Silbermetallic spielt nebst viel Weiss und kräftigen Akzenten in Kobaltblau, Gelb und Rot eine zentrale Rolle. David Bowie könnte seine Bühnengarderobe für die Ziggy-Stardust-Tournee diesen Sommer spielend ab der Stange kaufen. Die Trendsetter scheinen mehr das Ver-gnügen als die Arbeitswelt vor Augen gehabt und sich an ihren Traumdestinationen inspiriert zu haben.
Bei den einen geht die Reise zu Winnetou und Old Shatterhand in den Wilden Westen, andere unternehmen eine Safari nach Afrika oder eine Kreuzfahrt auf ihrer Jacht, mit der sie vor Ibiza und Mykonos vor Anker gehen. Ganz Sportliche bleiben zu Hause und verbringen ihre Freizeit im Fit-nessstudio und auf dem Sportplatz. Sportsachen haben den Weg zurück auf den Laufsteg gefunden, nachdem ihnen das gepflegte Tailoring während ein paar Saisons dort keinen Platz mehr gelassen hatte. Die riesigen Taschen illustrieren deutlich ihren Verwendungszweck jenseits der Pflicht: für das Dolcefarniente die überaus geräumigen Henkeltaschen, für den Sport die grossen Beuteltaschen mit Schulterriemen.
Für die Daheimgebliebenen heisst das aber noch lange nicht, dass sie sich in einem formellen Anzug im Büro quälen müssen. Wem es erlaubt ist, der geht künftig in einem Anzug mit kurzen Hosen ins Büro. Ein grosses Spektrum dieser absonderlichen Kombinationen wurde vor allem von den Mailändern vorgestellt. Calvin Klein kombiniert zu einem silbern schimmernden Veston eine Short. Bally hat das Thema sogar bis zum Exzess getrieben, indem er einen Tuxedo mit kurzer Hose vorgestellt hat.
Wenn viele Männer den Vorschlägen der neuen Beinfreiheit folgen, wird uns wohl oder übel der Anblick nackter, behaarter Männerbeine nicht erspart bleiben. Es sei denn, sie orientieren sich an Paris. Dort wurden zwar auch entspannte Sommeroutfits für Freizeit und Urlaub gezeigt, sogar auch Formelles, jedoch meist mit langen Hosen. Nun hoffen wir doch auf den Einfluss der Frauen beim Kleiderkauf ihrer Partner, die wohl eher zur eleganteren Pariser Allure tendieren.
Zudem befreit der neue Look das nackte Männerbein nicht rückhaltlos vom Makel der Stillosigkeit. Wer sich nicht als Proll entlarven will, dem wird trotzdem ein Minimum an Stilempfinden abverlangt, welches sich vor allem auf den Schuh konzentriert. Zu Shorts gehören nämlich anständige Nike Schuhe und keinesfalls Turnschuhe oder Sandalen. Es dürfen auch Indianermokassins sein, wie von Yves Saint Laurent und den beiden Designern Stefano Dolce und Domenico Gabbana für D&G vorgeschlagen. Oder dann der ultimative Sommerschuh für 2007: in silbernem Leder. Sneakersund Sandalen gehen nur zu langer Hose, welche diese Saison ohnehin ziemlich kurz ausfallen und meist Bundfalten aufweist.
Vielleicht lassen sich die Männer dazu bewegen, vom Short-Trend in der Stadt Abstand zu nehmen, wenn dafür schlanke, langbeinige Frauen ihre Augen mit Minijupes und Hot-Pants erfreuen? Das würde dem Strassenbild sicher guttun.